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Danke, Frau Freitag

 

Lange lese ich den Blog von Frau Freitag noch nicht, aber sie hat mich mit ihren Antwortbriefen auf Fragen ihrer Leserschaft jedesmal berührt, nachdenklich und schlauer gemacht.

Gestern hat sie darüber geschrieben, wie gewisse Menschen dazu tendieren, schlimme Dinge zu verharmlosen oder zu leugnen, weil einerseits nicht ist, was nicht sein darf, und weil sie die Gefühle nicht aushalten, denen sie ausgeliefert wären, wenn sie sich emotional auf die schlimmen und unbekannten Situationen einlassen würden. Es gibt Menschen, die sich – unbewusst oder bewusst – zum Schutz der eigenen Psyche weigern, mitzuleiden, weil die Vorstellung, in einer solcher Situation zu sein, für sie schmerzhaft, ja sogar unerträglich ist. Als Beispiele fügt die Autorin Anne Frank, Natascha Kampusch und Fremdplatzierungen von Kindern an.

Danke, Frau Freitag. Nach Jahren kann ich nun zwei Erlebnisse einordnen, die mir seither nie mehr aus dem Kopf gegangen sind, weil ich sie so immens traurig finde. Vor einiger Zeit hat eine Nachbarin zu einer meiner Bekannten nach einer Totgeburt gesagt: „Du musst verstehen, wenn ich den Kontakt zu dir abbreche. Dir geht es so schlecht, ich halte das nicht aus.“ Die Frau hat in Worte gefasst, was andere stillschweigend getan haben. Zu mir hat eine Frau gesagt, nachdem mein jüngster Sohn am plötzlichen Kindstot gestorben ist, und zwar lachend: „Sie bekommen bald wieder ein anders Kind.“ Sie hatte ja keine Ahnung.

Für mich hoffe ich, dass ich Mitgefühl, Empathie aufbringen, für Menschen in Krisen und Not, dass ich Mitleid zulasse, auch wenn es mit schweren und schwierigen Gefühlen verbunden ist, dass ich hinschaue und tätig werde, wenn andere wegschauen. Ich nehme mir fest vor, nicht vorschnell zu (ver)urteilen, wenn jemand etwas tut, das ich nicht in meinem Weltbild einordnen kann. Und für alle Menschen, für dich, für die unbekannte Frau am Telefon, für die Nachbarin, hoffe und wünsche ich mir das natürlich auch.

 

 

4 Antworten auf „Danke, Frau Freitag

  1. I find that people just don’t know what to say, and they let too much time go by and then can say nothing at all. I hope I am better than that, I hope I can cry with those who are crying, and hug when hugs are needed.
    Hugs to you,
    Meredith

  2. Verdammt, wer kann so taktlos sein und solche Worte für eine Mutter finden, die ihr Baby verloren hat. Nachdem N.E gestorben ist, musste ich nach dem Besuch bei den Eltern auch tief einatmen, einfach weil die Trauer so sehr im ganzen Haus wahrnehmbar war. Aber sich deswegen distanzieren? Ich finde es halt für alles Raum. Mal weint man zusammen und manchmal kann man auch zusammen lachen. Du hast mich gerade sehr nachdenklich gestimmt.
    Lg Carmen

  3. Wie gut… Trauer zulassen und mitfühlen können, sich im eh geschwindelten Lifestyle-Vorzeige-Alltag verstören lassen und im Wortsinne betroffen sein, auch das ist Leben, das ganze Leben eben… Wie der Schmerz in der Seele, der sich wandeln und mit dem man sich versöhnen mag, aber er bleibt. Alles Liebe! Ghislana

  4. das sind sehr sehr traurige Erlebnisse, die du da beschreibst …. in knappen Worten…. ich hatte mich mal von einer Freundin abgewandt, als sie an Leukämie erkrankte. Ich war noch sehr jung und ich schäme mich bis heute.. sie ist wieder gesund geworden.Gott sei danke… aber ich habe da etwas mit genommen… sehr viel sogar. Vor allem von ihrer Kraft zu verzeihen… in Gedanken bei dir und deinem Sohn und deinen anderen Kindern!!
    herzliche Grüße
    Denise

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