Samstagskaffee

Samstags Danke sagen – No Big Deal

merci

Guten Morgen meine Lieben

Ich kann’s noch nicht ganz fassen: Wir haben grosse Ferien! Der eine oder die andere mag anfügen: „Aber das haben Lehrer ja immer!“ Keine Sorge, ich werde nicht damit anfangen, zu erklären und zu rechtfertigen, warum die Lehrer „so viele“ Ferien haben. Viel lieber möchte ich meine Gedanken zum Schulschluss mit euch teilen.

Schulschluss bedeutet auch, dass nach einer intensiven Zeit von Frühling bis Sommer, die letzte Woche besonders streng ist. Nicht etwa, weil man noch besonders viel Stoff behandeln, besonders viel vorbereiten, viele Prüfungen schreiben und korrigieren und im Lehreroffice Kreuzchen fürs Verhalten setzten muss – das war nämlich in den Wochen davor der Fall -, sondern weil eben eigentlich nichts mehr zu tun ist, die Zeugnisse geschrieben sind. Für mich ist es am strengsten, wenn es nichts zu tun gibt. Einen Sack Flöhe hüten ist einfacher, als Jugendliche, die mit viel zu wenig Schlaf zum Unterricht erscheinen, den sie innerlich als grosse Störung in ihrer Endlich-nichts-mehr-tun-Laune empfinden.

Lehrer wie Schüler sind am Ende eines Schuljahres müde, sogar besonders müde, weil der letzten Woche oft eine zweitletzte 24-Stunden-Tage-Woche mit wenig Ruhepausen und wenig Privatsphäre stattgefunden hat. Alle sind deshalb eventuell ein bisschen weniger geduldig,  weniger kompromissbereit, weniger diplomatisch was die Kommunikation angeht. Alle sind auf der anderen Seite auch ein bisschen empfindlicher was die Kommunkation angeht. Auch was nicht gesagt wird, wird auf sehr sensible Ohren stossen.

Deshalb hier ein paar Worte zum Danke Sagen. Schule ist schon lange nicht mehr eine Wissensvermittlungsinstitution. Schule bedeudet Lebensraum. Schüler wie Lehrer verbringen sehr viel Lebenszeit an diesem Ort. Würde eine Stoppuhr laufen, sähen sie in Zahlen, dass sie mehr Zeit zwischen Wandtafel, Schulbänken, Turnhalle, Pausenhof und Lehrerzimmer verbringen als mit ihren Familien, dass sie mehr mit ihren Kollegen und Lehrpersonen reden als mit ihren Eltern. Nach drei Jahren intensiver, gelebter und erarbeiteter Beziehung ist deshalb eine Schachtel Merci-Schöggli nicht genug.

Mir ist es bei der Verabschiedung von meinen SuS, die ich in Englisch, Deutsch und Räume, Zeiten, Gesellschaften unterrichtet und auf zig Wanderungen und in zig Klassenlagern bekocht und verarztet habe, gestern gut gegangen: in der Bilderpräsentation über das vergangene Jahr gab es ein Foto von mir. Ich habe zu den Merci-Schöggeli noch einen Kinogutschein und zwei Rösli bekommen. Was aber noch viel wichtiger ist, es haben doch zwei, drei Mädchen ganz speziell gedankt, sogar eine Umarmung habe ich bekommen. Ja, ich habe sogar mehr bekommen, als ich erwartet habe.

Abends dann, nach einem feinen Essen, hat meine Kollegin geweint. Von ihr gab es nämlich gar kein Föteli. Sie isst keine Schokolade, hätte aber Freude an Blumen, nach hunderten Stunden in Sport, Hauswirtschaft und Gestalten ja eigentlich jeder gewusst haben sollte. Ich finde, sie ist zurecht enttäuscht. Nach drei Jahren unterrichten von Fächern, die nicht Leistungsfächer sind, in denen aber viel Herzblut, viel Emotion steckt, für die es seitens Lehrer, gerade weil kein Notendruck da ist, besonders viel Engagement braucht, ist es schäbig, die Lehrperson mit einem bedeutungslosen Gschänkli abzugelten.

Es tut mir wahnsinnig leid für meine Kollegin. Es mag sein, dass die Schweizer im Vergleich mit anderen Nationen ein bisschen unterkühlt sind. Wir mögen keinen grossen Zirkus und kein überschwengliches Lob. Aber eine Danke von Herzen, eine echte Geste muss einfach sein. Der Einsatz für die Jugendlichen ist nicht selbstverständlich.

Einige werden sagen, dass die Lehrer halt besonders empfindlich sind, Mimosen halt. Da sage ich laut: Halt! Diese Empfindsamkeit ist ja gerade gefordert bei den Lehrern. Sollen sie nicht jederzeit die Befindlichkeit ihrer Schüler kennen, wissen, wie es um ihre Schüler und Schülerinnen bestellt ist? Spüren, wann es genug ist, wen sie wie fordern und fördern können? Müssen sie nicht Stimmungen in der Klasse aufnehmen, um die geeignete Lernumgebung zu schaffen, ein Klassenklima zu erzeugen, in dem es allen wohl ist?

The end of the schoolyear is no big deal for many. This year even the usual thank-yous were a bit lousy. A colleague of mine was rightfully disapointed after three years of working and „living“ with her students, spending so much time and putting so much heart into her work, sharing her ideas and motivating the students to give their best. No, she doesn’t like chocolate. There would have been more appropriate gifts with more emotional value and not even more expensive ones. 

I was lucky. There was one photograph of me in the picture show (none of my colleague), I got two roses (my colleague none) and a ticket for the cinema (my colleague none) together with the chocolate. And most important, I hadn’t expected more. Three girls took their time to thank me in personal after the celebration, I even got a hug. 

I feel sorry for my colleague. And I will do my part next year that she gets what she is worth.

Verlinkt mit Samstagsplausch.

 

 

 

 

 

 

16 Antworten auf „Samstags Danke sagen – No Big Deal

  1. Hallo Regula,
    ich wünsche dir eine schöne Ferienzeit. Besonders freue ich mich, dass deine Bemühungen für die Schüler auch als solche wahrgenommen und gewürdigt werden. Leider hast du Recht, es ist mehr als Gedankenlos was deine Kollegin erlebt hat.
    Lieben Gruß
    Ivonne

  2. Ich finde nicht, dass die Arbeit der Lehrer selbstverständlich ist, liebe Regula. Ich weiß aber auch aus unserem Land, dass es viele Eltern für die Pflicht der Lehrer halten, die Erziehung der Kinder zu übernehmen, dass Kinder den ganzen Tag in den Schulen bzw. Hort verbringen müssen, damit die Eltern dann „keine Arbeit“ mit Hausaufgaben usw. haben und ich finde das, ehrlich gesagt, ein ganz unmögliches Verhalten der Eltern. Ich war nicht so, meine Kinder danken mir heute oft dafür, dass ich mir so viel Zeit für sie genommen habe und ich war den Lehrern immer dankbar für ihre tolle Arbeit, die sie an den Kindern geleistet haben.
    Ich wünsche dir wundervolle Ferien und viel Zeit zum Kraft tanken.
    Liebe Grüße von Catrin.

  3. Sehr schade, dass so wenig von den Schülern und auch den Eltern rüber kommt. Zu Recht ist deine Kollegin enttäuscht. Ich habe meine Kunstlehrer immer geliebt. Waren sie doch die Entspanntesten.
    Das du in dir ruhst, das merkt man wie du deine Texte schreibst. Ich lese gerne bei dir, auch wenn ich nicht immer kommentiere. Obwohl das auch eine Art der Wertschätzung ist, wenigstens ein kleines Hallo dazulassen.
    Genieße deinen Urlaub
    Andrea

  4. das hast du sehr gut ge – und beschrieben
    die Lehrer heute haben es wirklich nicht leicht
    und es bedeutet schon etwas wenn man solche Aufmerksamkeiten bekommt ..
    schade dass es deiner Kollegin nicht vergönnt war
    ich hoffe du kannst deine Batterien wieder etwas aufladen

    ich wünsche dir schöne Ferien
    Rosi

  5. Ein schönes Plädoyer für die Kolleginnen und Kollegen, die manchmal mehr mit und für die Kinder tun, als ihren Erwachsenen klar ist!
    Es stimmt: Der Beruf macht müde. Aber all die wunderbaren Geschenke und Abschiedszeremonien, die ich bei den allermeisten meiner Klassen empfangen habe, haben mich viele, viele Jahre getragen( nur in meiner allerletzten Schule war es mehr als übel. Und da hat mein Hausarzt dann eingegriffen. )
    Ich vermisse die Kinder sehr in meinem Ruhestand, vieles vom Drumherum aber überhaupt nicht.
    Nun wünsche ich dir eine erfüllende Auszeit!
    Astrid

    1. Ich bin ja auch eine der Lehrerinnnen die keine richtige Lehrerin ist;-) wenn mir meine Primarschüler dies sagen amüsiert es mich, weil es überhaupt nicht abwertend gemeint ist.
      Diese Noten und Beurteilungen sind ja nicht massgebend für das Zeugnis… diese Aussagen finde ich von Seiten der SuS und Eltern erschreckend und gerade im Moment sehe ich bei den Eltern in den Primarklassen die ich unterrichte eine erschreckende Wende, dass diese handwerklichen Fächer keine Bedeutung mehr haben… alle müssen ins Gym
      Es tut mir leid für deine Kollegin.

      Ich wünsche dir auch eine erholsame Zeit, ich habe ja schon eine Woche Vorsprung.
      Liebe Grüsse
      Angy

  6. Als Lehrer*in freut man sich auf jeden Fall über Wertschätzung, egal auf welche Art. Ob es nun Schocki oder eine Umarmung ist, Hauptsache dass die Absicht rüberkommt.
    Es ist traurig, dass dafür dann eventuelle Unzufriedenheit immer einfacher formuliert und präsentiert wird, als wenn alles läuft, wie erhofft.
    Liebe Grüße und schöne Ferien!
    Andrea

  7. Schöne Ferien, und für alle die blöde Sprüche sagen wegen zu viel Ferien, warum sind sie dann nicht selber Lerher/in geworden!!!
    L G Pia

  8. Lebensraum Schule? Das hört sich gut an, das ist gefühlt und gefällt mir. Schade nur, dass ich Dich nicht zur Lehrerin hatte und das meine ich ernst. Mein Trauma war die Handarbeitslehrerin, die mich gequält hatte…

    …ja, das war in jeder Hinsicht eine heiße Woche.

    Sommersonnige Grüße zum Wochenende, Heidrun

  9. Ich überlege gerade, wie das bei uns so ist, wenn ein Lehrgang seinen Abschluss hat. Sehr unterschiedlich. Einige unsere Azubi’s bedanken sich bei den Lehrkräften. Manchmal nur mit Worten aber manchmal auch mit Aufmerksamkeiten. Ich finde Beides ok. Mir ist wichtig, dass sie erkennen, dass wir uns drei Jahre wirklich Mühe mit Ihnen gegeben haben und die eine oder andere Stunde Frezeit für sie geopfert haben.
    Aber leider erlebe ich es auch immer wieder, dass so gar nichts kommt. Ich finde das immer etwas gedankenlos. Leider aber muss ich vermehrt feststellen, dass diese Gedankenlosigkeit bei unseren Nachwuchskräften immer mehr zunimmt. Als Lehrer fordern wir in ihren Augen viel zu viel und rauschen zu schnell durch den Stoff. Auf Rückfrage, wieviel Zeit sie nach dem Unterricht zur Nacharneit verwenden, ernte ich meist nur empörte Blicke. Nacharbeit?!?! Ich aber muss ihrer Meinung nach eine Klausur in zwei tagen korrigieren…tztz…

    Ich wünsche dir schöne Ferien! Genieße sie!
    Marion

    1. Ja, keine Zeit für Hausarbeiten, aber Stunde um Stunde Bildschirmzeit. Was wohl nachhaltiger ist? LG

  10. Danke für Deine Samstagsworte, die so viel Denkansatz bieten! Deine Kollegin tut mir sehr leid, für Dich aber freue ich mich sehr.
    Wertschätzung geben zu können beginnt für mich mit der Fähigkeit zu Respekt und Demut und fängt mit lieben Worten an.
    Genieße die Ferienzeit, denn was Ihr Lehrer verarbeite und leisten müsst, darüber sind sich leider viel zu vielen nicht bewusst.
    Herzliche Dir, Ev

    1. Ich gehe gerne zur Arbeit, freue mich auch schon wieder auf nach den Ferien, aber dieser Beruf macht müde. 🙂 Liebe Grüsse von Regula

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